Tag 12

Liebes Tagebuch, liebe Tagebuchleser

 

Ich durchlebe monatlich den weiblichen Zyklus. Meine Emotionen oder tieferen Empfindungen liess ich in den letzten Tagen meistens aussen vor. Sie waren nicht wirklich von belangen und haben meine Handlungen oder mein Sein nicht stark beeinflusst. Doch der heutige Abend war von Emotionen geprägt, die ich auf meinen Zyklus zurückschliesse.

 

 

Normalerweise kann ich bei Sticheleien gut kontern - auch weil ich selbst immer mal wieder austeile. Doch heute war ich immer wieder ein "Häufchen Elend". Konnte die Tränen nicht zurückhalten und habe einige Beteiligte in eine unangenehme Situation gebracht.

 

Kommentare wie "ah bisch wieder am PMS-le", "negstmol bliebe mr dehei wenn das hesch" oder Fragen wie "cha me das nit kontrolliere?" sind dann eher kontraproduktiv. Sie vermitteln nicht das Verständnis, das man sich in diesem Moment wünscht.

 

Nein, ich konnte es nicht kontrollieren. Auch wenn ich gerne hätte. Solche Ausbrüche ausserhalb der eigenen vier Wände sind mir aber trotzdem neu. Vielleicht liegt es an der langanhaltenden Corona-Misere, der Jahreszeit oder am Semesterstress. Ich weiss es nicht. Aber ich weiss, dass ich es satt habe, mich Monat für Monat für meine Hormone zu entschuldigen.

 

Eine Freundin hat mir geraten, solche Ausbrüche schriftlich festzuhalten. Um dann an bestimmten Tagen, in den Folge-Monaten, lieber zuhause zu bleiben. Nach diesem Rat haben mich einige Fragen beschäftigt. Besonders, weil ich am Samstag eine so  empathische Gastgeberin hatte. Sie gab mir das Gefühl verstanden zu werden und mich nicht für meine Emotionen schämen zu müssen.

 

Verlangt die Gesellschaft von mir, dass ich wirklich an bestimmten Tagen zuhause bleibe? Für was? Damit es sich noch mehr anfühlt wie eine lästige Krankheit? Dass wir uns neben den Schmerzen und dem Unwohlsein noch mehr einschränken? Dass andere nicht schlecht von uns denken? Dass eine bestimmte Illusion einer Person nicht zerplatzt? Um uns zu verstecken?

 

Nei sorry.